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Das Werk von Claudia Blume

 

Im Werk und in der Kunst von Claudia Blume steht der Holzschnitt im Mittelpunkt als das maßgebliche Ausdrucksmittel. Allerdings nutzt Claudia Blume den Holzschnitt völlig anders als in der herkömmlichen Holzschnittkunst, wie man sie etwa bei Dürer, Hokussai oder den Brücke-Künstlern des Expressionismus vorfindet. Das wird bereits an den ungewöhnlich großen Formaten deutlich, die Blume verwendet, besonders aber an der Art des Druckverfahrens selbst. Nachdem Blume das Motiv in die Holzplatten mit einer Vielzahl von Schneidewerkzeugen eingearbeitet hat, überträgt sie den eingefärbten Druckstock nicht durch eine mechanische Pressung auf das Papier, sondern sie reibt den Papierbogen mit der Hand behutsam und unter variablem Druck auf die Vorlage. Auf diese Weise kommt es zu variantenreichen Farbübertragungen, die von opak bis porigdurchbrochen reichen.

Diese Vorgehensweise verleiht den weitgehend konturfreien Farbflächen, die zudem aus mehreren unterschiedlichen und übereinanderliegenden Farbschichten bestehen, einen stark malerischen Duktus, weshalb Blumes Holzschnitte alles andere als „holzschnittartig“ wirken. Die Oberflächen, die auf dem Druckträger erzeugt werden, besitzen eine gleichsam organische Textur, sind also alles andere als „oberflächlich“. Sie gehen im Gegenteil „unter die Haut“, indem sie selbst wie eine Haut, wie eine atmende Membran erscheinen. Dabei erhalten in der Wirkung selbst die opaken Stellen im Blatt eine scheinbar transparente Durchlässigkeit.

Wenn zwischen den changierenden Farbflächen von Blumes Holzschnitten dennoch einmal Linien auftauchen, dann sind es nicht die schwarzen Konturen üblicher Holzschnitte, sondern zart angelegte, weiße Umrandungen einzelner Figurinen im Bild. Blumes Handdrucke sind also keine Schwarz-, sondern bestenfalls Weißschnitte, wobei das Lineament sehr zurückhaltend eingesetzt wird, was wiederum im Kontrast steht zum gewöhnlichen Holzschnitt, der herkömmlich eine starke Expressivität im Linienduktus aufweist.

Blumes Holzschnittkunst setzt sich nun aber nicht nur in Machart und Technik, sondern generell vom Ursprung des Holzschnitts ab, der seiner Entstehung nach dem Wunsch nach Reproduktion und dem Bedürfnis nach Vervielfältigung und medialer Verbreitung von Kunst entsprang. Blume verwendet demgegenüber den Holzschnitt nicht als Reproduktionsmittel, um Bildinhalte zu vervielfältigen. Bei Blume stellt jeder einzelne Druckstock und Druckbogen ein Unikat dar, eine autonome Struktur. Die Anwendung des Holzschnitts steht bei Blume in einem kritischen Kontrast zur Vernutzung des Kreativen im Reproduzierbaren. Ihre Holzschnitte sind daher im besten Sinne des Wortes Monotypien, die eine originäre Aura entfalten, jenseits medialer Reproduzierbarkeit. Es sind einmalige Fundstücke aus der Unmittelbarkeit künstlerischen Schaffens mit Holz, Farbe und Papier, um sich vom Betrachter in ihrer Einmaligkeit auffinden zu lassen.

Die auratische Qualität ihrer Holzschnitte führt Blume auf das Basismaterial Holz zurück. Holz als organischer Naturstoff und energetische Substanz besitzt für sie archetypischen Charakter. Hierbei lehnt sie sich an die vorwissenschaftliche Elementelehre des Fernen Ostens an, worin dem Holz als fünftem Element neben Erde, Wasser, Feuer und Metall eine elementare Bedeutung eingeräumt wird. Wie das Feuer zum Wasser im Gegensatz steht, ist zum Holz das Metall Gegenpol. Seit der Bronzezeit, also seit ungefähr 5000 Jahren, ist innerhalb der menschlichen Zivilisation das Metall auf dem Vormarsch. Es findet geradezu eine Revolution des Metalls statt, die das Element Holz zu verdrängen droht, da die Hervorbringung des Metalls auf Kosten des Holzes geschieht. Die metallische Dominanz raubt dem Holz die großen Restbestände an grünen Lungen des blauen Planeten in den Dschungelgebieten der südlichen Hemisphäre. Um die Gefährdung des Elements Holz herauszustellen und es gleichzeitig gegenüber der Hegemonie des Metalls in einer Art künstlerischem Postulat zu behaupten und hervorzuheben, ist der tiefere Grund, weshalb Blume den Holzschnitt einsetzt. Wenn sie Holz als Träger ihres künstlerischen Ausdrucks wählt, dann seines archetypischen Inhalts wegen, weshalb ihre Arbeiten ihrer physischen Präsenz nach so etwas wie „Archetypien“ sind.

Der archetypische Charakter von Blumes Holzschnitten wird nun auch in ihrer Farb- und Formwahl präsent. Während sie im Verlassen einer expressiven Kontur eine gewisse Affinität zum Spätexpressionismus der 1950er Jahre zeigt, offenbart ihre Farbpalette Verwandtschaft zu den Starkfarben des Frühexpressionismus und Fauvismus. Allerdings verwendet sie die dabei unverkennbar indianisch-folkloristische Anmutung ihrer Holzschnitte nicht im Sinne eines Eskapismus und einer exotischen Weltflucht, wie es die frühen Expressionisten taten, sichtbar in den Tahiti-Bildern von Paul Gaugin oder den Tierbildern von Franz Marc.

Ihr Anliegen ist, einen künstlerischen Gegenentwurf mit entsprechend kritischem Impetus zu schaffen. Blume ist es wichtig, die in ihrem Werk zum Ausdruck kommende Wahlverwandtschaft zu indigener Weltkunst als Brücke zu nutzen, um unser Abgeschnittensein von unserem natürlichen Umfeld überwinden zu helfen. Sie nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf eine Vorstellung der Lakota, einem nordamerikanischen Stamm der Sioux, der alle Dinge der Natur „unsere Verwandten“ nennt. Die universelle Verwandtschaft und Kohärenz der Dinge herauszustellen, ist Blume ein Grundanliegen. Sie sagt: „Wir brauchen nicht nur das Gespräch mit den Menschenwesen, sondern auch mit den Tierwesen, den Pflanzenwesen und allen anderen Teilen der Umwelt, einschließlich des Bodens, der Steine, des Wassers. Aus meiner Sicht ist unsere Umgebung nicht Umwelt, sondern Familie.“

Material und Methode in Blumes Monotypien, die zugleich „Archetypien“ sind, verbindet Blume stimmig in ihrer Motivwahl. In Anlehnung an indigene Vorstellungen, wonach die Wesen der Natur allesamt miteinander verwandt sind, ist das Leitmotiv bei Blume eben diese Verwandtschaft, die „familiäre“ Beziehung des Menschen zum Tier, zu den Pflanzen und unorganischen Elementen. Aus dieser Symbiose entstehen ihre Gestalten in der Begegnung von Mensch und Tier, nicht selten umrankt von üppiger Pflanzenpracht und einer strahlenden Sonnensymbolik, auch dann, wenn die Sonne in ein komplementäres Blau verwandelt erscheint, deren Korona durch einen Kranz von Fischen wiedergegeben wird. Hierbei tauscht Blume in einer dramatischen Umkehrung und einer antinomischen Verfremdung das Element Feuer in das Element Wasser, um weniger den Gegensatz als vielmehr die Verbindung der Elemente deutlich zu machen.

Dass Blumes Motivik auf innerweltliche Verwandtschaft aller Wesen abzielt, vermittelt sie ganz besonders in der Darstellung von Pferden, die neben dem Zyklus der Porträtbilder von „Göttinnen und Heldeninnen“ einen großen Raum einnehmen. Das Pferd, das innerhalb der Zivilisationsgeschichte in einem symbiotischen Verhältnis zum Menschen steht, spielt in seiner Friedfertigkeit den Kontrapost zur humanistischen Diktatur, die sich rücksichtslos gegen die Mitwelt verhält. Dagegen wirken Blumes Pferdebilder, in denen das Tier in fast lebendgroßer Ganzkörperlichkeit und Alleinstellung auftritt, als visuelle Therapie, die auf den Betrachter einwirkt wie ein indianisches Totem, ein zeremonielles Muster, das ihn universell neu ausrichtet, ihn einstimmt zur Ehrfurcht gegenüber allem Lebendigen und ihn die Mitgeschöpfe als „Familie“ erleben lässt. Eine ähnliche Wirkung erzielt Blume mit dem Motiv der Sonnenblume, die für sich genommen eine eigene Galaxie, ein kosmisches Ordnungsmuster darstellt. Auch hier stellt sich beim Betrachter ein suggestiver Effekt ein, der ihn mit dem Dargestellten empathisch verbindet.

Neben dem flächigen Holzschnitt gestaltet Blume in analoger Farb- und Motivwahl auch skulpturale Objekte, die wie in den Raum ausgreifende Holzschnitte wirken und in reliefartiger, einfach gehaltener Bearbeitung des Lindenholzes Kopf- und Tierporträts kombinieren und das symbiotische Verhältnis beider demonstrieren. Daneben entstehen inzwischen auch Ölbilder in Form ausdrucksstarker Selbstporträts, indem sich Blume in der Gestalt bekannter Meisterwerke wiedergibt, etwa als „Selbst mit Hermelin“ in Anlehnung an Leonardo da Vincis berühmte „Dame mit Hermelin“.

In der Konstellation von Mensch, Tier und Pflanze waltet Welt im Sinne eines Geheimnisses, das zugleich Geborgenheit vermittelt. Der Betrachter kann sich in dieser Weltkunst von Claudia Blume aufgehoben fühlen in der doppelten Bedeutung des Wortes „aufheben“.

Text: Peter Hank

 

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